Enterprise Architekten ... Der Finger in der Wunde!

In Zeiten einer sich verbreitenden, digitalen Transformation steigt die Zahl der IT-Services und internen Schnittstellen exponenziell. Hier sind Enterprise Architekten gefragt, die den Finger in offene Wunden legen und keine Scheu haben, unangenehme Wahrheiten zu thematisieren. Gute Architekten agieren übergreifend und frei von hierarchischen Strukturen. Bei der peritas erleben wir zunehmend Anfragen nach interimistischen Einsatzkräften für diese verantwortungsvollen komplexen Projekte.

Dipl.-Ing. (FH) Peter H. Riedel / Issue Manager und Interim Enterprise Architekt

Eine in vielen Unternehmen weit verbreitete Meinung: Der Enterprise Architekt sitzt (allein) in seinem Elfenbeinturm. Er malt sich eine bunte Zukunft aus und bewegt sich damit fernab von jeder betrieblichen Realität.

Wir sind häufig in Projekten u. a. als "Head of Global Enterprise Architecture" tätig und können dieses Vorurteil nicht bestätigen. Im Gegenteil stellen wir immer wieder fest, dass Unternehmen, die ihre IT-Architektur unter Kontrolle haben, deutlich weniger Schwierigkeiten in Projekten rund um die digitale Transformation haben. Gerade die Vielzahl an internen Plattformen und Systemen lassen jedes neue Projekt zur digitalen Bastelarbeit werden. Insbesondere wenn es darum geht, die zahlreichen Schnittstellen anzugleichen und auf einen Nenner zu bringen. Nur mit einer Vernetzung aller Systeme über entsprechend adaptierte Schnittstellen lassen sich zentrale Dienste (Services) effizient wiederverwenden und neben der Agilität auch die Datenqualität deutlich steigern.

Eine neu erschienene Studie "Themes of successful platform transformation" von McKinsey in Zusammenarbeit mit der Henley Business School kommt zu folgendem interessanten Ergebnis: Alle relevanten Kennzahlen verbessern sich über kurze bis mittlere Sicht, wenn Unternehmen ihre digitalen Transformationsprojekte auf Grundlage einer durchdachten und konsequent umgesetzten Enterprise Architektur umsetzen. Auf Tools kann man sich dabei aus Sicht der Autoren wenig verlassen: Es gibt zwar viele davon, aber keines leistet einen nennenswerten Beitrag bei der Umsetzung.

Wichtig und für Interimisten leichter umsetzbar: Interne Kommunikation ohne Maulkorb!

Bemerkenswert ist für uns die Erkenntnis aus allen Projekten, dass die erfolgreichsten Ansätze stets jene waren, bei denen alle Beteiligten aus IT und Fachbereichen miteinander sprechen. Miteinander, nicht übereinander in extern veranstalteten Workshops und Studien! Es darf keinen Maulkorb geben. Vielmehr müssen alle Probleme transparent und losgelöst von hierarchischen Strukturen auf den Tisch kommen. Die Informations-Architektur ist Grundlage jedes erfolgreichen Unternehmens und somit intern bedeutsam. Jedes Unternehmen sollte beim Management seiner komplexen Enterprise Architektur selbst das Steuer in der Hand halten. Erfolgskritisch ist dabei auch die jeweilige Zufriedenheit der Fach- und IT-Führungskräfte im eigenen Unternehmen. Der offene Umgang mit kritischen Themen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Der Interims-Architekt sorgt bei der obersten Entscheidungsebene kurzfristig für Transparenz, um zeitnahe Entscheidungen für eine langfristig tragfähige Architektur zu ermöglichen.

Immer mehr Interims-Spezialisten mit einer Mischung aus profundem IT-Background und betriebswirtschaftlichem Überbau werden in diesen komplexen Projekten erfolgreich eingesetzt. Diese holistischen Führungskräfte steigen insbesondere beim Aufbau einer entsprechend nachhaltigen Architektur gerne interimistisch (=schnell) ein, um die notwendigen Anforderungen und Konzepte kurzfristig intern abzuklären. Oft schon im Umfeld bereits beschlossener Transformations-Projekte. Nicht selten agiert unser "Issue-Manager" hier 12-18 Monate bis zum Erreichen erster Meilensteine. Parallel dazu wird eine professionelle Personalsuche angestoßen, um den richtigen Enterprise-Architekten für die langfristige Besetzung dieser verantwortungsvollen Position zu finden.

Enterprise Architektur als Treiber eines agilen, skalierbaren Wandels!

Wie die Erfahrung zeigt, entstehen in Unternehmen mit einer digitalen Transformation zahlreiche Punkt-zu-Punkt Verbindungen, Anwendungen und entsprechende Schnittstellen. Dies führt in der Folge auch zu hohem Integrationsaufwand und entsprechend hohen Kosten. Mit einer funktionierenden Enterprise Architektur lassen sich diese Herausforderungen bewältigen bzw. kontrollieren. Mit dem Anstieg genutzter Dienste (Services) steigt im Idealfall auch die Wiederverwendung bereits existierender Module & Bausteine (Dienste). Das Unternehmen kann mit seinen Herausforderungen wachsen. Die steigende Skalierung in Verbindung mit einer "lebendigen" Architektur führt zu einer hohen Agilität in jedem dynamischen Marktumfeld.

Schlüssel zum Erfolg: Blick auf den Kunden und Mut zum Verzicht!

Das Kennzeichen erfolgreicher Unternehmen ist seit Jahrzehnten das Wissen um die eigenen Kunden und Lieferanten. Für eine digitale Transformation heißt das in der Konsequenz, dass Kunden wie Lieferanten stets als Ausgangs- und Endpunkte aller digitalen Prozesse zu betrachten sind. Die Roadmap einer Transformation muss sich um die Reise des Kunden durch das Geflecht der digitalen Abläufe im Unternehmen kümmern (sog. "Customer Journey"). Bei der Konzeption einer Enterprise Architektur ist ebenfalls die Kundenbrille erfolgsrelevant, d. h. der Architekt muss die Prozesse und Bedürfnisse der Kunden wie auch Lieferanten kennen und die entsprechenden Systeme dort in seinen Überlegungen berücksichtigen. Welche Schnittstellen und Standards gibt es dort? Wie können digitale Prozesse vorhandene Daten ohne manuelle Eingriffe nutzen? Die Antwort auf diese Fragen ist erfolgskritisch, gerade auch bei der Migration vorhandener Systeme. Weshalb Enterprise Architekten auch gerne Abläufe "rückwärts" vom ersten Kontakt des Kunden aus hinterfragen.

Bei allen Unternehmen gibt es historisch gewachsen eine Reihe von mehr oder weniger aktuellen "Legacy Systemen" für das Tagesgeschäft. Die Einbindung dieser Systeme ist auch Bestandteil einer übergreifenden Unternehmens-Architektur. Dabei sollte auch die individuelle Lebensdauer dieser Systeme berücksichtigt werden und der verantwortliche Architekt mutig den konsequenten Ersatz von Alt-Systemen durch moderne Lösungen einzuplanen. Auslaufende Systeme über ihre Lebensdauer hinaus einzusetzen kostet nicht nur Zeit und Geld. Es entstehen dabei auch "digitale Lasten" für jede IT-Architektur der Zukunft. Die notwendigen Modernisierungen im Code führen nicht selten zu Verflechtungen, die mit jedem neuen Release bei einem der involvierten Systeme und Plattformen neue Projekte erforderlich machen. Wir raten von lebenserhaltenden und meist aufwendigen (= teuren) Maßnahmen meist ab. Statt dessen empfehlen wir um die Ecke zu denken. Eventuell macht der Sprung gleich zu einer übernächsten Generation im Rahmen des ohnehin anstehenden Projektes mehr Sinn.
Auch hier ist ein hochqualifizierter Enterprise Architekt gefordert. Es bedarf umfangreicher, architektonischer Fähigkeiten, um ein geeignetes Konzept für eine ausbalancierte, digitale IT-Architektur zu entwickeln.

Was sollte der Enterprise Architekt mitbringen?

Er muss auf Augenhöhe mit IT-Spezialisten, Fachbereichen und Führungskräften argumentieren können und darf keine Scheu vor Auseinandersetzungen und unbequemen Wahrheiten haben. Neben einer Ausbildung im Umfeld von Informationstechnik sollte er auch aus dem Finanzbereich und der Struktur großer Organisationen praktische Erfahrungen mitbringen. Ausschlaggebend sind vor allem die "weichen Faktoren": Ist die Person selbstbewusst genug, um quer zu denken und die richtigen Fragen zu stellen?
Ein Enterprise Architekt stellt vieles in Frage. Er fragt immer nach dem Warum,  um den Nutzen für Kunden und die Organisation zu verstehen. Die Bandbreite der Fragen reicht dabei von der Geschwindigkeit von Entscheidungsprozessen über Komplexitäten in der Informationsverarbeitung bis hin zu strategischen Zielen und Werten des Unternehmens. Empathie und emotionale Intelligenz sind mehr gefragt als technischer Sachverstand ...

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